Ist die Baubranche erst automatisiert oder schon smart?
Pascal Sieber
Bericht von der BAU 2019 München
Vom 14. - 17. Januar 2019 fand in München die BAU 2019 statt. Sie ist die Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme in der gesamten Baubranche. 2'250 Austeller begrüssten über 250'000 Besucher aus mehr als 150 Ländern.
Unter dem Motto «We connect, we maximize, we inspire» brachte die Messe in der Haupthalle erstmals digitale Initiativen der Bauindustrie mit aktuellen Entwicklungen der Softwarebranche zusammen, nachdem die Leitthemen bereits im Vorfeld der Messe auf den digitalen Wandel fokussierten. Der Messe-Geschäftsführer Reinhard Pfeiffer erwähnt in seinem Schlussbericht zur Messe das starke Besucherinteresse in den Bereichen Gebäudeautomation und BAU-IT und schliesst daraus, dass die Digitalisierung endgültig in der Baubranche angekommen ist.
Wie smart ist die Baubranche?
Beim Rundgang durch die verschiedenen Hallen der Messe sind mir die Wörter «smart», «digital», «Industrie 4.0» und «BIM» an vielen Ständen aufgefallen. Das weckte mein Interesse und ich suchte das Gespräch mit den Austellern. Dabei merkte ich bereits im ersten Gespräch, dass häufig «smart» mit «automatisiert» verwechselt wird. Fenster, Türen, Heizung-Lüftung-Kühlung und Lampen können über Steuerungen bedient werden, das ist automatisierte Technologie, wie wir sie bereits seit Jahren kennen. «smart» wird dieses System jedoch erst, wenn die Dinge miteinander verbunden sind und kommunizieren. Nur so können sie auf die sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren. Scheint z.B. die Sonne auf die Fassade, nimmt dies das System wahr und reagiert. Das smarte Fenster verdunkelt sich. Dadurch bleibt die Raumtemperatur konstant und das Gebäude spart im Betrieb Kosten. Denn Heizung, Lüftung und Kühlung reagieren, werden je nach Bedarf reduziert oder eine Erhöhung wird vermieden. Der Betrieb des smarten Gebäudes hinterlässt einen kleineren CO2-Fussabdruck, denn das smarte Gebäude ist energieeffizienter.
Von smarter Technik ist also die Rede, wenn die verschiedenen Objekte (= Dinge) mit dem Internet verbunden sind (=IoT-Device) und mit weiteren Geräten der Haustechnik kommunizieren. Erst wenn dies auch gegeben ist, werden automatisierte Lösungen intelligent, sprich smart.
Und sie bewegt sich doch Richtung Digitalisierung
Gemäss einer Teilstudie des «Digitalisierungsindex Mittelstand 2018» ist die Digitalisierung bei 33% der Betriebe in der Baubranche fest in der Unternehmensstrategie verankert. Zum Vergleich: In anderen Branchen liegt dieser Wert heute bei 45%. Es ist also festzustellen, dass die Branche zwar sensibilisiert ist auf das Thema, jedoch müssen dringend die nächsten Schritte umgesetzt werden, damit die traditionellen Unternehmen nicht vom Markt verschluckt werden. Traditionelle Betriebe, die die Digitalisierung nicht in Angriff nehmen, werden auf längere Sicht kaum ihre Marktanteile halten können, wenn das Ziel verfolgt wird, nachhaltig, modern und energieeffizient zu bauen und zu wohnen.
An der Messe stellte ich fest, dass lediglich mehrheitlich altbekannte Produkte mit neuen Begriffen versehen und so beworben werden. Das hilft jedoch der Baubranche nicht aus dem Dornröschenschlaf. Die neuen Produkte werden so oder so kommen und sie werden passive Marktteilnehmer in eine Nische verdrängen.
Zurück in die Gegenwart mit Blick in die Zukunft
Bleibt die Frage, wer die neuen Player sein werden. Als Gewinner werden diejenigen hervorgehen, die bereits heute wahrhaftig smarte Produkte und Prozesse entwickeln. Nehmen die traditionellen Marktteilnehmer der Baubranche diese Opportunität nicht wahr, warten bereits neue Marktteilnehmer ungeduldig in der Warteschlange (von Apple über Merck bis View) und werden die traditionellen Industrien vom Markt verdrängen. Höchste Zeit für die traditionellen Hersteller, sich dazu Gedanken zu machen.
Epilog
Erschöpft von den vielen neuen Erkenntnissen der Messe kehrte ich abends nach Hause zurück. Mit meinem analogen Hausschlüssel öffnete ich die Haustüre und schaltete über eine App die Alarmanlage aus und über eine andere App das Licht ein. Anschliessend liess ich die Storen mit meiner Somfy-Bedienung runter.
Obwohl über Apple TV rein theoretisch alle Haustechniklösungen gesteuert werden können. Manche Lösungen sind noch nicht HomeKit-, Apple-fähig. Die grossen Digital Players haben sich positioniert, aber leider unterstützen noch nicht alle das gleiche Protokoll. Auch das könnte eine Chance sein für die bestehenden Unternehmen.