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Digital, aber menschlich

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Digital, aber menschlich

Viktoria König

Bern, Zürich im Februar 2025

Im Gespräch mit Mathias Haller, CDO Stiftung Heilsarmee Schweiz | PDF-Download

Wie die Stiftung Heilsarmee Schweiz den Wandel gestaltet

Mathias Haller war während gut zehn Jahren der CIO der Stiftung Heilsarmee Schweiz – im Frühling des letzten Jahres hat er in die CDO Rolle gewechselt. Am Anfang seiner Karriere arbeitete er teilweise parallel als selbstständiger IT-Projektmanager und Notes-Entwickler. Zwischen 2010 und 2015 war er Mitgründer des auf Audioguides spezialisierten Kultur-Start-ups Zweisinn. Mathias Haller ist in den USA und danach in Bern und Lausanne aufgewachsen und hält einen Master in Business Administration der Universität Bern und der University of Technology in Sydney. Daneben hat er sich mit einem CAS «Data Science Management» an der EPFL in Lausanne und einem CAS «Cybersecurity und Information Risk Management» der Fachhochschule Nordwestschweiz weitergebildet.[1]

[1] Vgl. https://www.computerworld.ch/business/interview/naechstenliebe-funktioniert-it-2827385.html, https://www.linkedin.com/in/mathias-haller/

Wer ist die Stiftung Heilsarmee Schweiz?

Die Organisation ist Teil der internationalen Heilsarmee und verfolgt in der Schweiz religiöse, soziale und philanthropische Ziele. Neben ihren sozialen Aktivitäten betreibt die Heilsarmee auch 20 Secondhand-Läden unter dem Namen "brocki.ch". Die Organisation finanziert sich durch Spenden, ehrenamtliche Mitarbeiter:innen und den Erlös aus ihren Betrieben und gehört zu den grössten Hilfsorganisationen des Landes.

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung bei der Erreichung der strategischen Ziele der Stiftung Heilsarmee Schweiz?

Die Digitalisierung dient der Heilsarmee Schweiz als Mittel zur Steigerung der Produktivität und Ressourceneinsparung. Sie wird gezielt dort eingesetzt, wo sie einen klaren Mehrwert bietet, beispielsweise in der Qualitätssicherung durch digitale Dokumentationstools. Darüber hinaus unterstützt sie flexible Arbeitsmodelle durch ortsunabhängigen Datenzugriff und erleichtert die Skalierung neuer Angebote. Dennoch steht stets der Mensch im Mittelpunkt – digitale Lösungen sollen die Arbeit unterstützen, aber nicht den direkten zwischenmenschlichen Kontakt ersetzen.

Was sind die grössten Herausforderungen, die die Stiftung Heilsarmee Schweiz bei der Umsetzung der digitalen Transformation bewältigen muss?

Eine der grössten Herausforderungen der digitalen Transformation für die Heilsarmee Schweiz ist die Vielfalt ihrer Anspruchsgruppen. Während am Hauptsitz Mitarbeiter:innen vor dem Laptop arbeiten, sind viele andere – wie Reinigungskräfte, Mitarbeiter:innen in den Ateliers oder Pflegekräfte – direkt vor Ort tätig und haben oft einen geringeren digitalen Zugang. Zudem arbeitet die Heilsarmee auch mit vielen, z.T. heiklen Daten (z.B. von Klient:innen) wo der richtige Umgang mit den digitalen Werkzeugen besonders wichtig ist. Die Herausforderung besteht darin, digitale Lösungen bereitzustellen, die für alle Bereiche praktikabel sind und den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Diese Herausforderungen zeigen, dass Digitalisierung ein kontinuierlicher Prozess ist, der sorgfältige Planung und fortlaufende Anpassung erfordert.

Welche Technologien spielen eine Schlüsselrolle in eurer digitalen Transformationsstrategie?

In der digitalen Transformationsstrategie stehen Plattformlösungen im Mittelpunkt. Standardlösungen werden gezielt eingesetzt, um Effizienz, Skalierbarkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Dabei nutzt die Organisation insbesondere die Microsoft-Technologien, darunter Microsoft 365 für Kollaboration und Produktivität sowie Azure und ServiceNow als Cloud-Plattform für Infrastruktur, Datenverarbeitung und Skalierung digitaler Dienste.
Ein weiteres zentrales Element ist die Schnittstelle zu den Benutzer:innen. Da die Heilsarmee Schweiz eine heterogene Organisation mit vielfältigen Tätigkeitsfeldern ist, müssen geeignete Endgeräte für verschiedene Nutzer:innengruppen bereitgestellt werden. Dies umfasst Laptops, Smartphones und Tablets, wobei die Auswahl stark von der jeweiligen Aufgabe abhängt. Während Büroangestellte vorwiegend mit Laptops arbeiten, benötigen Mitarbeiter:innen im Aussendienst oder in Pflege- und Sozialdiensten mobile und intuitive Lösungen.
Ein besonderes Merkmal der Heilsarmee Schweiz ist ihre unabhängige und eigenständige Vorgehensweise, insbesondere bei der Auswahl von Business-Systemen. Dies ermöglicht es ihr, individuell auf die spezifischen Bedürfnisse der Organisation einzugehen, bringt aber gleichzeitig Herausforderungen in Bezug auf Integration und Interoperabilität mit sich.
Da die Heilsarmee eine weltweit tätige Organisation ist, spielt die Kommunikation über verschiedene Regionen hinweg eine entscheidende Rolle. Digitale Lösungen müssen nicht nur standortübergreifend funktionieren, sondern auch kulturelle und sprachliche Unterschiede berücksichtigen.

Wie begegnet ihr Bedenken oder Widerständen gegenüber neuen Technologien in eurer Organisation?

Die Heilsarmee Schweiz ist eine zentral geführte Organisation, was bedeutet, dass Entscheidungen strukturiert getroffen werden und in der Regel gut angenommen werden. Widerstand entsteht meist nicht gegen die Technologie selbst, sondern eher durch eine Überforderung mit zu vielen Neuerungen gleichzeitig. Beispielsweise wurde kürzlich ein neues ERP-System eingeführt, und in solchen Phasen ist es essenziell, den Mitarbeiter:innen Zeit zu geben, sich mit neuen Systemen vertraut zu machen, bevor weitere Veränderungen hinzukommen. Die Organisation legt daher Wert darauf, Prozesse schrittweise zu implementieren, um Überlastung zu vermeiden.
Ein zentraler Aspekt in der Akzeptanz neuer Technologien ist das Thema Daten und Datenschutz. Um Bedenken auszuräumen, verfügt die Heilsarmee Schweiz über eine dedizierte Datenschutz-Kerngruppe, welche als Ansprechstelle bei Unklarheiten dient. Diese Vertreter:innen stellen sicher, dass digitale Prozesse den rechtlichen und sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen, was Ängste und Widerstände in Bezug auf den Umgang mit sensiblen Daten reduziert.
Mit über 160 Standorten in der Schweiz hat die Heilsarmee zudem eine grosse Vielfalt an Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichen digitalen Kompetenzen und Arbeitsweisen. Um sicherzustellen, dass alle mitgenommen werden, setzt die Organisation auf eine starke Vor-Ort-Präsenz. Das bedeutet, dass Entscheidungsträger:innen aktiv das Gespräch mit den Mitarbeiter:innen suchen – unabhängig davon, ob es sich um HR-Teams oder andere zentrale Dienste handelt. Sie möchten verstehen, was die Menschen bewegt und welche Herausforderungen sie haben, um darauf einzugehen und die digitale Transformation möglichst praxisnah und unterstützend zu gestalten.

Insgesamt begegnet die Heilsarmee Schweiz Widerständen mit einer durchdachten Einführung neuer Technologien, einem strukturierten Datenschutzkonzept und einer nahbaren, mitarbeiterorientierten Kommunikation, um sicherzustellen, dass Veränderungen nicht nur verordnet, sondern auch verstanden und akzeptiert werden.

Gibt es spezielle Trainings- oder Schulungsprogramme, um Mitarbeiter:innen bei der Nutzung digitaler Tools zu unterstützen?

Ja, die Heilsarmee Schweiz setzt auf eine moderne und vielfältige Schulungsstrategie, um ihre Mitarbeiter:innen bestmöglich bei der Nutzung digitaler Tools zu unterstützen. Während die Kern-IT an externe Partner:innen ausgelagert wurde, liegt der Fokus intern verstärkt auf Change-Management und Datenschutz, um die digitale Transformation nachhaltig zu begleiten.
Ein zentrales Ziel ist die Entwicklung einer modernen E-Learning-Plattform, die als wichtiger Bestandteil des Onboardings dient. Neue Mitarbeiter:innen werden gezielt mit digitalen Lerninhalten geschult, wobei darauf geachtet wird, dass alle – unabhängig von ihrem Standort oder ihrer digitalen Affinität – abgeholt werden. Dabei verfolgt die Heilsarmee Schweiz einen hybriden Ansatz, der sowohl physische als auch digitale Schulungen kombiniert. Es wird darauf geachtet, dass Lernen nicht nur online stattfindet, sondern dass auch persönliche Interaktion und gemeinsames Lernen gefördert werden.
Zusätzlich bietet die Heilsarmee Schweiz über das Intranet regelmässig kurze Lerneinheiten (2-5 Minuten) in Form von "Lernhäppchen" an. Diese kleinen, leicht konsumierbaren Inhalte helfen den Mitarbeiter:innen, sich kontinuierlich weiterzubilden, ohne dass dies zu einer grossen zeitlichen Belastung führt. Durch diese Mischung aus E-Learning, persönlichen Schulungen und flexiblen Mikro-Lerneinheiten schafft die Heilsarmee Schweiz eine lernfreundliche Umgebung, die es den Mitarbeiter:innen ermöglicht, sich laufend an neue digitale Tools und Prozesse anzupassen.

Und gibt es bestimmte Trends, die du als wegweisend für die zukünftige Entwicklung von Non-Profit-Organisationen im digitalen Bereich ansiehst?

Ein zentraler Trend für Non-Profit-Organisationen ist Datenmanagement und -nutzung. Daten bieten enormes Potenzial, beispielsweise um Spender:innenverhalten besser zu verstehen oder operative Prozesse zu optimieren. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, nicht blind jedem Hype zu folgen (Hype Cycle) und sorgfältig zu entscheiden, wo Daten sinnvoll kombiniert werden sollen und wo nicht. Ein weiterer Trend mit grossem Potenzial ist Künstliche Intelligenz (KI). Während KI heute schon in vielen Bereichen Anwendung findet, sieht die Heilsarmee Schweiz die Technologie noch als eher „fern“ für ihre Kernprozesse. In diesem Jahr liegt der Fokus eher auf Sensibilisierung.

Bezugnehmend auf den 10. NGO-Austausch vom Januar – welche Message wolltest du mit deinem Vortrag als Keynote Speaker an die Gäste vermitteln?

Mit meinem Vortrag wollte ich den Gästen vermitteln, dass die eigentliche Herausforderung der Digitalisierung in Non-Profit-Organisationen nicht in der Technologie selbst liegt, sondern in der erfolgreichen Einbindung der Mitarbeiter:innen. Technologische Mittel sind heutzutage weitgehend verfügbar und beherrschbar – die wahre Transformation geschieht jedoch auf der menschlichen Ebene. Als NPO haben wir begrenzte Ressourcen, aber auch die Möglichkeit, strategische Entscheidungen zu treffen, um digitale Herausforderungen gezielt anzugehen. Sollten wir hierfür intern Kompetenzen aufbauen oder besser externe Expertise einkaufen? Diese Fragen erfordern eine kluge Ressourcenplanung und strategische Abwägung.
Ein weiteres wichtiges Anliegen war der Erfahrungsaustausch. Viele NGOs stehen vor ähnlichen Herausforderungen – nicht nur in technischer Hinsicht, sondern vor allem, wenn es darum geht, ihre Mitarbeiter:innen auf die digitale Reise mitzunehmen. Transformation bedeutet immer auch Veränderung für die Menschen, und genau hier liegt die grösste Hürde.
Mein Ziel war es, Erfahrungen zu teilen, praxisnahe Einblicke zu geben und die Teilnehmer:innen dazu anzuregen, den menschlichen Faktor in der Digitalisierung nicht zu unterschätzen. Denn am Ende entscheidet nicht die Technologie über den Erfolg der digitalen Transformation, sondern die Art und Weise, wie wir unsere Teams mitnehmen und begeistern.

Wie hast du den NGO-Austausch empfunden bzw. konntest du auch ein Takeaway für dich mitnehmen?

Der NGO-Austausch war eine inspirierende und bereichernde Erfahrung. Besonders geschätzt habe ich die Gelegenheit, mich mit vielen spannenden Persönlichkeiten aus der Branche auszutauschen und neue Perspektiven zu gewinnen. Solche Veranstaltungen ermöglichen nicht nur den Ideenaustausch, sondern auch eine Reflexion über die eigene Organisation – ein wertvoller Spiegel, um zu sehen, wo man steht und welche Ansätze andere verfolgen.
Darüber hinaus spürte ich eine grosse Wertschätzung für die Arbeit im Non-Profit-Bereich. Es war beeindruckend zu sehen, mit wie viel Engagement und Leidenschaft die Teilnehmer:innen ihre Mission verfolgen.

Lieber Mathias, wir danken dir bestens für den Beitrag sowie deine Zeit und freuen uns auf den kommenden NGO-Austausch am 1. April 2025.